Abdulelah hajar

Die Friedensinitiative Stop the WAR im Jemen wurde von jemenitischen Freunden gebeten, die folgende Erklärung von Abdulelah Hajar - Berater für diplomatische Angelegenheiten in Sanaa - Jemen, an Mitglieder des Deutschen Bundestages weiterzuleiten.

GERMAN

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

es ist mir eine Freude, vor allen deutschen politischen Parteien nach vier Jahren saudischer Aggression über die aktuelle Situation im Jemen sprechen zu können.

Zunächst möchte ich mich vorstellen. Ich bin Botschafter Abdul Elah Hajar, Berater des Präsidenten des Obersten Politischen Rates des Jemen für diplomatische Angelegenheiten in Sana'a, und ich war Mitglied der Sana'a-Delegation bei den jemenitischen Friedensgesprächen in Biel und Kuwait 2015-2016.

Ich habe an der Ein Shams University in Kairo studiert und ein Diplom für den Auswärtigen Dienst an der Oxford University erworben. Ich begann meine diplomatische Laufbahn im Jahr 1974 und arbeitete zweimal in den jemenitischen diplomatischen Vertretungen in Saudi-Arabien, in der jemenitischen Mission am europäischen Hauptsitz der UNO in Genf, Ägypten, Türkei, und diente als Botschafter in Pakistan, den Malediven, Kasachstan, Afghanistan und Kirgisistan.

Was im Jemen passiert, ist eine ausgewachsene Katastrophe, ausgelöst von der von Saudi-Arabien geführten Koalition, die am 26. März 2015 mit allen militärischen Mitteln in den Jemen eingefallen ist. Die Koalition hat Tausende unschuldiger Menschen durch Luftangriffe getötet und verletzt. Sie hat nahezu die gesamte Infrastruktur aller jemenitischen Gouvernements zerstört.

Diese Koalition hat eine illegale und unmenschliche Land-, See- und Luftblockade verhängt, die zur „größten humanitären Katastrophe der Welt“ geführt hat, wie die Beigeordnete Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten die Lage im Jemen bezeichnet hat.

24 Millionen Jemenitinnen und Jemeniten leiden unter den Schrecken des Krieges, unter Hungersnot und mangelnder Grundversorgung, unter Mangel an Medikamenten und der schwachen medizinischen Versorgung. Sie werden daran gehindert, zur medizinischen Behandlung oder zu anderen Zwecken ins Ausland zu reisen. Hinzu kommt die ausbleibende Wasser- und Stromversorgung, Verlust ihrer Arbeitsplätze und die Streichung ihrer Gehälter. Ständig droht die Gefahr, getötet oder verletzt zu werden: in Häusern, Straßen, Marktplätzen, Schulen, Krankenhäusern, öffentlichen Gebäuden oder überall dort, wo die Luftangriffe der Koalition stattfinden.

Die hochrangige Expertengruppe des Hochkommissariats für Menschenrechte hat im vergangenen Jahr einen Bericht über die Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte vorgelegt, die die Koalition während ihrer Invasion im Jemen begangen hat.

Diese blutrünstige, unmenschliche und barbarische Invasion durch die von Saudi-Arabien geführte Koalition bedarf keiner juristischen Rechtfertigung oder Legitimität. Sie verletzt die Charta der Vereinten Nationen und missachtet sämtliche Resolutionen des Sicherheitsrates zum Jemen.

Die Aggressoren behaupteten, sie führten den Krieg gegen den Jemen und sein Volk, um die so genannte „legitime jemenitische Regierung“ wiedereinzusetzen. Doch dies ist eine falsche Ausrede, Fake News, denn die so genannte Regierung und Präsident Hadi sind im Januar 2015 zurückgetreten und haben nicht die geringste Legitimität.

Bekanntermaßen hat die so genannte „legitime Regierung“ seit vier Jahren ihren Sitz in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens.

Die saudischen und emiratischen Besatzer geben der so genannten „legitimen jemenitischen Regierung“ keinerlei Befugnisse, das besetzte Land zu regieren – oder die von den Houthis befreiten Gebiete, wie sie es nennen.

Die beiden genannten Länder und ihre Verbündeten kein Recht, sich in die inneren Angelegenheiten des Jemen einzumischen. Bekanntermaßen verfügen die politischen Systeme beider Regime nicht über den Hauch demokratischer Legitimität, Freiheiten der Bevölkerung sind massiv beschnitten. Beide Länder werden von sämtlichen humanitären Organisationen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in ihren Territorien angeklagt.

Das eigentliche Ziel dieser kriminellen Aggression ist die Wiederherstellung von Einfluss und Kontrolle über den Jemen und die Besetzung des Lands und seiner reichen Vorkommen natürlicher Ressourcen. Die Vereinigten Arabischen Emirate bewiesen dies mit ihrer Besatzung der Insel Socotra und ihrer umfassenden Kontrolle über den Hafen und die gesamte Stadt Aden. Ohne Zustimmung oder Genehmigung der jemenitischen Regierung schlugen die saudischen Truppen in der Al-Maharah-Provinz ihre Zelte auf, um eine Pipeline zu bewachen, die von Saudi-Arabien zum Indischen Ozean verlegt wurde.

Das jemenitische Volk in der Hauptstadt und anderen Teilen des Landes unterstützte den Obersten Politischen Rat und die in Sana'a ansässige, sogenannte Heilsregierung durch das bestehende legitime Parlament und die Massenkundgebungen während der letzten vier Jahre.

Die Heilsregierung glaubt an den Frieden und verurteilt alle Aggressionen der Koalition. Sie unternimmt jedwede Anstrengung, um das Land mit Hilfe der Armee und der Volkskomitees zu verteidigen. Gleichzeitig beteiligte sie sich durch eine nationale Delegation wirksam an allen Runden der jemenitischen Friedensgespräche, während die andere jemenitische Delegation – die aus Riad entsandt wurde und vollständig von den Aggressoren kontrolliert wird – diese Gespräche behinderte.

Leider beteiligen sich auch die USA, Großbritannien, Frankreich und einige andere europäische Länder an diesem kriminellen Angriff auf den Jemen und seine Zivilbevölkerung. Neben militärischer Unterstützung stellen sie der von Saudi-Arabien geführten Koalition jedes nur erdenkliche Kriegsgerät zur Verfügung, einschließlich hochentwickelter Kampfjets, Bomben und Raketen. Humanitäre Werte werden hier rücksichtslos wirtschaftlichen Interessen geopfert.  

Einige dieser Länder geben den Aggressoren ohne Zustimmung ihrer Bevölkerung politische Rückendeckung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. 

Das jemenitische Volk ruft all seine Freundinnen und Freunde in Deutschland auf, von ihrer Regierung eine aufrichtige Politik einzufordern, gegen den Verkauf von Waffen und Munition an die von Saudi-Arabien geführte Koalition einzustehen, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern, die Blockade gegen den Jemen zu beenden und den internationalen Flughafen in Sana'a wieder zu eröffnen.

Das jemenitische Volk heißt jede deutsche Delegation herzlich willkommen, die bereit ist, Sana'a zu besuchen, um das beispiellose menschliche Leid im Jemen mit eigenen Augen zu beurteilen. Auch sind wir stets bereit, eine Delegation nach Berlin zu entsenden, um Unklarheiten und mögliche Konflikte auszuräumen, wobei erwähnt werden muss, dass der Flughafen in Sana'a seit August 2016 von der Saudi-Koalition für alle jemenitischen Bürgerinnen und Bürger geschlossen wurde.

Die jemenitische Bevölkerung sendet Ihnen allen Friedensgrüße nach Deutschland.  

Ich danke Ihnen.

03. April 2019, Sanaa - Jemen

Abdulelah Hajar